In unserer Reihe “Personen aus der Szene” stellen wir euch regelmäßig Persönlichkeiten vor, die in Eurer Übersicht nicht fehlen sollten. Diese Menschen bringen die Szene wirklich voran und überzeugen mit spannenden Ideen und interessanten Insights.
Heute geht es um: Fili Wiese
Hallo Fili und vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein Gespräch genommen hast. Viele SEOs kennen dich als ehemaligen Googler und als Co-Owner von Searchbrothers mit deinem Freund Kaspar Szymanski. Aber stelle dich doch bitte einmal den Lesern vor, die dich noch nicht kennen.
Hallo Oliver und danke, dass ich dabei sein darf. Es freut mich sehr, an eurer “Personen aus der Szene” Reihe teilzunehmen.
Mein Name ist Fili Wiese und seit 2013 bin ich internationaler SEO Consultant mit Searchbrothers.com. Vorher habe ich siebe Jahre lang als Senior Google Search Quality Analyst und als Senior Google Support Engineer gearbeitet. Dabei habe ich mich vor allem auf das Finden von Spam und das Verhindern von Verstößen gegen die Google Webmaster Richtlinien konzentriert. Diese einzigartige Erfahrung ist heute ein toller Vorteil, um meinen Kunden zu helfen, ihre Online-Ziele zu erreichen. SEO, Programmierung und Big Data Sets sind meine Leidenschaft, und ich widme dieser Leidenschaft, die auch meine Arbeit ist, viel Zeit. Ich spreche außerdem regelmäßig auf internationalen Online Marketing Konferenzen. Die Zeit, die dann noch übrig bleibt, verbringe ich mit meiner Familie, beim Scuba Diving oder mit der Leidenschaft meiner Kindheit: Science Fiction, vor allem Star Trek 🙂
Lass uns mit deinen Erfahrungen bei Google anfangen. Wie hast du dort angefangen, und warum bist du im Spam Team gelandet?
Ende 2005 habe ich mich erfolgreich auf eine ziemlich kryptische Ausschreibung bei Google beworben. Diese sagte im Endeffekt: “Wir können dir nicht viel sagen, aber du wirst viel mit Daten zu tun haben und es ist ein cooler Job”. Damals steckte das europäische Search Quality Team noch in den Kinderschuhen. Das war eine sehr spannende Zeit, die mir viele Chancen bot, sowohl meine eigenen Fähigkeiten als auch das Produkt zu verbessern, für das ich so viel Leidenschaft empfand: Die Google Suche.
Meine Ausbildung, gepaart mit einer Leidenschaft für das Coden, hat mir das Leben sehr leicht gemacht und ich konnte schnell aufsteigen. So wurde ich zum Senior Google Search Quality Analyst in der Zweigstelle Dublin. Ich habe mich früh darauf konzentriert, Spam und Policy Design zu finden und zu analysieren sowie das restliche Team weiterzubilden. Es war eine tolle Erfahrung, viele Generationen von Anti-Spam-Kämpfern aus der ganzen Welt auszubilden. Ich habe außerdem immer enge Bande zur Webmaster Community gepflegt, indem ich im Namen von Google viele Artikel veröffentlicht und auf Konferenzen gesprochen habe. Und auch heute ist es mir immer noch wichtig, meine Erfahrung und Expertise zu teilen – nicht nur mit Kunden, sondern auch mit größerem Publikum wie auf der SMX oder der PubCon.
Der Kampf gegen Spam ist sicher einer der spannendsten Bereiche bei Google. Was sind für dich deine drei größten Erfolge auf diesem Gebiet, und warum?
Das ist auf jeden Fall richtig! Schon allein die Chance, an der Google Suche zu arbeiten, ist aufregend. Denn das ist ein Produkt, das jeder benutzt. Für jemanden, der sich so für Technologie und Information interessiert, wie ich, ist das vergleichbar mit der Suche nach dem heiligen Gral. Ich hatte die Möglichkeit, relativ lange in diesem Bereich zu arbeiten, daher gab es einige tolle Initiativen, die mir sehr wichtig waren.
Ganz oben auf meiner persönlichen Liste der Dinge, über die ich öffentlich sprechen kann, steht die Fokussierung der Google Webmaster Richtlinien. Damit meine ich sowohl das öffentliche Dokument, das jeder Webmaster auswendig können sollte, als auch das interne Dokument, das der Eckpfeiler der internationalen Webspam Operation geworden war. Diese Dokumente vor vielen Jahren verbessert zu haben ist etwas, auf das ich sehr stolz bin. Und etwas, von dem unsere Kunden stark profitieren :).
Ein anderes Thema, bei dem ich aber etwas vage bleiben muss, ist das Untersuchen von Backlink-Mustern, vor allem im Hinblick auf riesige private Backling Netzwerke. Das war kein einmaliger Vorgang. Vielmehr hat sich eine Task Force immer andere Sprachen vorgenommen und dann Aktionen ausgeführt, wenn es sinnvoll war. Am Anfang ist es sehr überraschend, in den Mainstream Medien über deine Arbeit zu lesen. Aber mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt und es wurde zu einem weiteren Indikator, dass unsere Mühen sichtbare Früchte trugen – und dass wir einen positiven Unterschied machten. Neben der Möglichkeit, tolle Einblicke in umkämpfte Märkte auf der ganzen Welt zu erhalten, waren die riesigen Mengen an Daten eine große Herausforderung, die die Arbeit sehr spannend machte.
Auch das andere Ende des Abstrafungszyklus ist auf meiner Liste weit oben – ich war auch lange Teil des Recionsideration Request Teams. Hier habe ich zum ersten Mal gemerkt, wie befriedigend es ist, motivierten Webmastern zu helfen. Wahrscheinlich war es diese Arbeit, in der ich Webmastern, die ihre Seite wirklich verbessern wollten, ihre manuellen Abstrafungen aufheben konnte, die mich viele Jahre später dazu brachte, als Vollzeit Consultant zu arbeiten. Mit der Zeit folgten viele andere Initiativen, um Webmaster weiterzubilden. Zum Beispiel wurden die europäischen Kontaktmöglichkeiten erweitert, ich habe auf Konferenzen gesprochen, wir haben Site Clinics organisiert und im Namen von Google Artikel veröffentlicht. Das waren alles wirklich tolle Erfahrungen. Ich denke, jedem gefällt es, anderen zu helfen. Und mir geht es da nicht anders.
Da du es selbst schon gesagt hast: Sicher gibt es viele Dinge im Hinblick auf deine Arbeit bei Google, über die du nicht öffentlich sprechen darfst. In vielen Fällen ist das sicher gerechtfertigt, denn wir wissen ja alle, dass einige SEOs jede kleine Information nutzen, um die Richtlinien zu umgehen. Aber wünschst du dir trotzdem manchmal, dass Google noch offener wäre? Und wenn ja, zu welchen Themen?
Meiner Meinung nach, und ich kenne beide Seiten als Googler und als SEO, ist Transparenz nicht das Problem. Google hat die Kontaktmöglichkeiten immer weiter verbessert und gibt immer mehr und immer spezifischere Informationen an einzelne Webmaster. Heutzutage teilen sie zahllose Hinweise im Hinblick auf die Website in Search Console, inklusive Details, wenn es eine manuelle Abstrafung gibt. Das ist im Erholungsprozess unbezahlbar, das merke ich regelmäßig. Wir müssen auch anerkennen, dass wir all diese Informationen kostenlos erhalten.
Das Problem ist meistens nicht, dass es keine Informationen gibt – sondern wie man die vorhandenen Informationen nutzen kann. Die Masse und die Komplexität scheint viele Webmaster zu überfordern, vor allem, wenn sie lieber ihr Geschäft nach vorne bringen, als sich in technisches SEO zu vertiefen.
Die Herausforderung ist oft für Nutzer, die kein Englisch sprechen, noch größer – denn sie erhalten viele standardisierte Übersetzungen. Für mich ist es nicht so, dass Google mehr Informationen preisgeben sollte. Ich denke aber, dass sie das Potential haben, ihre Lokalisierung noch zu verbessern und vermehrt Nutzer anzusprechen, die des Englischen nicht mächtig sind.
Das wäre sicher eine gute Richtung. Es scheint auch so, dass manche SEOs vergessen, dass Google ein privates Unternehmen ist und ihnen daher keine Informationen “schuldet”. Was glaubt du, warum das so ein sensibles Thema ist und so viele Diskussionen nach sich zieht? Denn wie du schon sagst, bietet Google viele kostenlose Infos an – und dass sie uns nicht die Details ihrer Algorithmen verraten ist doch nur verständlich.
Das Thema scheint mir wie eine Schlangengrube. Es zieht oft weniger qualifizierte, aber dafür sehr lautstarke Mitglieder der Branche an, die sich so in Szene setzen wollen. Diese Kämpfe sind oft wie Kreuzzüge, bei denen jede Seite denkt, sie wüsste es besser.
Ich persönlich sehe keinen Sinn darin, solche sinnlosen Debatten anzuheizen und bereits aufgeregte Leute noch wütender zu machen. Ich glaube, dass es für meine Seiten und die meiner Kunden von Vorteil ist, in Google’s privatem Index gelistet zu sein. Und den kann jeder, der möchte, kostenlos nutzen. Weil ich das glaube, ist es meine Aufgabe, Seiten zu erstellen, die für ihre Zielgruppe einen Mehrwert bieten und für Nutzer und Suchmaschinen gleichermaßen leicht zu erreichen und zu verstehen sind. Obwohl ich immer versuche, Seiten zu verbessern, ist mir trotzdem klar, dass es keine Garantie für Traffic aus den Suchmaschinen gibt. Das Online Business unterscheidet sich hier nicht vom Offline Business. Es gibt keine Garantien, und wenn man nicht die eigenen Ziele erreicht, dann hat man wahrscheinlich an irgendeiner Stelle eine schlechte Entscheidung getroffen. Es gibt keinen Grund, Google oder jemand anderen für gescheiterte Erwartungen im Hinblick auf die Sichtbarkeit zu beschuldigen.
Das hört sich sinnvoll an. Und darauf aufbauend: Welche drei Dinge schaust du dir vor allem an, wenn du die Arbeit an einem neuen Kunden beginnst. Und warum?
Als erstes müssen wir schauen, ob wir die gleichen Werte teilen, auf deren Basis wir dann eine vertrauensvolle und für beide Seiten vorteilhafte Beziehung eingehen können. Es macht keinen Sinn, zu versuchen, total unterschiedliche Arbeitsweisen zu verbiegen, nur damit sie irgendwie zusammenpassen. Für mich ist die Aussicht auf Erfolg mit einem Kunden absolut unabdingbar.
Sobald wir hier auf einer Wellenlänge sind, ist die Frage, wie viele Daten gesammelt und geteilt werden können, damit wir so effektiv wie möglich arbeiten können. Zum Beispiel ist es ein gutes Signal für alle Beteiligten, wenn ein Kunde bestätigen kann, dass die Server Logs der letzten 12 Monate verfügbar sind. Das verspricht tiefgreifende Daten, die wiederum zu umsetzbaren Ergebnissen führen.
Zuletzt höre ich immer dem zu, was der Kunde zu sagen hat. Die meisten Geschäftspartner lassen sich nicht lange bitten und erzählen, was sie auf dem Herzen haben. Je mehr problematische Punkte im Hinblick auf SEO und die Google Suche sie nennen können, desto bessere Dienstleistungen können wir anbieten.
Und wenn diese Punkte stehen und du mit der Arbeit an der Website beginnst: Was sind hier deine ersten Schritte?
Crawls initiieren, die vom Kunden übergebenen Daten analysieren, nach Mustern suchen: Der Prozess ist immer data-driven. Aber ab einem gewissen Punkt entwickelt man auch einen Instinkt. Oft ist es eine Ahnung, welche die Untersuchung in die richtige Richtung leitet. Ich denke, dass meine Erfahrung bei Google hier ein großer Vorteil ist. Bei Google an der Identifizierung und Prävention von Spam zu arbeiten war ein sehr analytischer Prozess, in dem man Muster und Signale finden musste. Technische SEO Audits und Risikoanalysen, so wie ich sie heute mache, sind da sehr ähnlich.
Wo wir gerade davon sprechen: Was hat dich dazu gebracht, Google zu verlassen und mit deinem ehemaligen Kollegen Kaspar eine neue Firma zu gründen? Das scheint ein Weg zu sein, den viele ehemalige Googler einschlagen. Und ich kann mir vorstellen, dass viele Kunden zu euch kommen, weil ihr “die andere Seite” auch kennt?
Das scheint ein Weg zu sein, den viele Leute mit Unternehmenserfahrung wählen – darunter auch einige ehemalige Angestellte von Suchmaschinen. Jeder hat seine eigenen Gründe dafür, den Komfort und die Sicherheit eines großen Unternehmens zu verlassen, um neue Ziele zu verfolgen. Für mich war die Idee, einen Service aufzubauen, der Kunden weiterhilft und in dem ich meine SEO Kenntnisse anwenden kann, eine spannende Perspektive. Mit Kaspar habe ich schon bei Google zusammengearbeitet, seit er 2006 angefangen hat. Wir kennen uns gut und haben schon bei Google beide den Wunsch gehabt, Online Businesses zu helfen und Dinge zu verbessern. Diese enge Zusammenarbeit hat sich ganz natürlich entwickelt und wurde zu der Idee, unsere eigene Marke und einen neuen Service zu kreieren. Und 2013 schien die Zeit dafür reif, was sich im Nachhinein als perfektes Timing herausgestellt hat.
Du hast Recht, einige Geschäftspartner sind sehr scharf darauf, unsere eher einzigartige Erfahrung und das Ex-Google Search Quality Mindset auf ihre Seiten angewendet zu sehen. Und wir nutzen unsere Fähigkeiten und Expertise gerne, um Seiten für Nutzer und Suchmaschinen zugleich zu verbessern. Auf diesem Weg tragen wir auch heute noch zur Verbesserung der Sucherfahrung bei.
Das hört sich an, als würden dir beide Seiten gut gefallen. Wo siehst du dich in 10 Jahren? Vielleicht wieder bei einer Suchmaschine oder an einem ganz anderen Ort?
Wieder beim Basteln an einer internationalen Suchmaschine, beim Entwickeln meiner eigenen Suchmaschine, beim Leiten einer Kette von Scuba Diving Shops in einem tropischen Paradies, oder einfach beim Zeitverbringen mit meinen Kindern, die dann junge Erwachsene wären. Es könnte jede dieser Leidenschaften werden. Im Leben und in unserer Branche sind 10 Jahre eine unfassbar lange Zeit. Ich freue mich darauf, die Zukunft zu erforschen. Alles ist möglich.
Du wirst sicher noch eine interessante Zeit vor dir haben. Noch einmal vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Gespräch genommen hast, Fili.