Hallo Felix und vielen Dank, dass Du dir die Zeit nimmst, uns ein paar Fragen zu beantworten. Du bist ja nicht nur in der SEO Szene bekannt, sondern besonders auch in der Social Media Szene. Einige Bücher gehen auf Dein Konto und auch was das Bloggen angehst, bist Du recht aktiv. Deine neue Website ist ja auch frisch fertig. Sollte Dich jemand dennoch nicht kennen, stell Dich doch mal kurz vor.
Das Wichtigste hast du ja schon gesagt. :-) Ich berate und schule Unternehmen, aber häufig auch Organisationen, öffentliche Einrichtungen und Behörden, Verbände und Agenturen. Meine Themen sind Social Media und SEO sowie die effektive Nutzung und Verknüpfung der Online-Marketing-Instrumente.
Ansonsten gibt es über mich zu sagen:
- Diplom-Wirschaftsjurist und hoffentlich bald MBA
- Freund härterer Klänge (Metalcore, Hardcore, etc.)
- Schreibe gerade am fünften Buch
- Antialkoholiker
- Unterrichte an drei Unis und Hochschulen
- Seit fast 15 Jahren Glatzen- und seit fast 10 Jahren Bartträger
- Ein Jahr in Spanien studiert und gearbeitet
- Lieblingsorte: Karibik, Südsee, USA (Kalifornien, Florida, New York)
Du unterrichtest an drei Unis? Das stelle ich mir zeitintensiv vor... Wie kommt man an solche Stellen? Hast Du dich bei den Unis gemeldet oder diese sich bei Dir? Es herrscht ja oft Verwirrung um die Wichtigkeit von Social im SEO und auch dem Einfluss im Ranking? Wie stehst Du dazu?
Meinen ersten Lehrauftrag habe ich durch einen ehemaligen Praktikanten vermittelt bekommen, der einfach mal seinen Dekan angesprochen und mich dann damit überrascht hat. Von da an war’s relativ leicht. In den letzten Jahren habe ich etwa fünf Anfragen für Lehraufträge abgelehnt. Die Hochschulen melden sich in aller Regel von selbst, wenn man eine gewisse Sichtbarkeit hat.
Der Zeitfaktor ist durchaus relevant, hält sich aber in Grenzen. Das sind meistens Blockseminare, die zeitlich auf jeden Fall machbar sind. Einen laufenden Lehrauftrag (2h/Woche oder so) würde ich aber auch nicht annehmen, das würde tatsächlich zu sehr reinhauen.
Zur zweiten Frage: Laut Google gibt’s ja keinen Einfluss. Manchmal fällt es mir schwer, das zu glauben, da Blogbeiträge, die stark geshared werden, oft erstaunlich gut und schnell ranken. Das mag aber an anderen Faktoren liegen. Jedenfalls empfehle ich nicht, Social aus SEO-Gründen zu betreiben.
Ein indirekter Einfluss liegt aber häufig auf jeden Fall vor: Beitrag wird geteilt, erhält gewisse Viralität, Blogger oder Redakteur stößt drauf und verlinkt ihn. Dadurch ergeben sich dann auch starke SEO-Effekte.
Natürlich, eine erhöhte Bekanntheit steigert die Chancen für gute externe Signale. Viele im Bereich SEO vernachlässigen den Social Media Aspekt oftmals. Auch Unternehmen stehen vor der Wahl, wohin das Marketing Budget fließen sollte. Für wen eignet sich professionelles Social Media eigentlich und bei wem macht es eher weniger Sinn?
Sinn macht es überall da, wo Kunden oder andere Zielgruppen in den sozialen Netzwerken aktiv sind, Fragen stellen, Erfahrungen austauschen, Informationen suchen oder sonstige Bedürfnisse befriedigen. Neben Kunden können interessante Zielgruppen zum Beispiel auch Medien/Presse, potenzielle Mitarbeiter (Recruiting / Employer Branding) oder in größeren Unternehmen auch aktuelle Mitarbeiter sein (Mitarbeiterbindung).
Gar keinen Sinn macht Social Media Marketing im Prinzip nur in wenigen Fällen. Wenn der Zielmarkt extrem klein ist und eine weitergehende Bekanntheit auch gar nicht nötig/gewollt ist, wird es schwierig. Ich hatte mal ein Gespräch mit einem Unternehmen, das bestimmte Bauteile für Kernkraftwerke herstellen. Da sind die potenziellen Kunden sehr rar und vor allem alle Ansprechpartner etc. persönlich bekannt. Andere Ziele wie ein positiveres öffentliches Image etc. war auch nicht gewünscht. Da gibt es dann sicher interessantere Kanäle als die sozialen Medien, z. B. Außendienst, Messebesuche, Kundenevents etc.
Oft unterschätzen Unternehmen aber die Möglichkeiten, die Social Media für sie bieten würde. Gerade im B2B-Sektor herrscht oft eine ablehnende Haltung, weil bei Social Media erst mal an Katzenbilder oder Turnschuhe gedacht wird. Ein Blog mit Fachartikeln, Infografiken und eingebetteten YouTube-Videos, der Reichweite über XING und LinkedIn generiert, die Auffindbarkeit bei Google erhöht und auch Medienkontakte erleichtert, würde sich aber in solchen Fällen manchmal hervorragend eignen. Da heißt es oft, die Wahrnehmung verändern und erst mal solche Möglichkeiten aufzeigen. Das überzeugt dann auch sehr häufig.
Sicherlich wird das Budget auch Thema sein, denn manchmal muss man sich entscheiden, in welchen Marketing Kanal man sein Geld nun pumpen möchte. Arbeitest Du im Social Media Bereich auch mit Tools wie beim SEO?
Ja klar. Die Vielfalt ist noch nicht so groß wie bei den SEO-Tools, aber es gibt mittlerweile eine ganze Reihe Anbieter am Markt. Ich nutze überwiegend Fanpagekarma und SocialBench, um Analysen zu fahren. Die beiden halte ich auch für ziemlich gute Tools, deren Kosten noch überschaubar sind.
Habe mir aber erst gestern mal die neuen Social Funktionen von XOVI angeschaut und ich muss sagen, das sieht echt gut aus. Viele Funktionen von Fanpagekarma und SocialBench sind da jetzt auch inklusive. Wenn das weiter ausgebaut wird, sollten sich nicht nur SEOs, sondern auch Social Media Marketer XOVI mal genauer anschauen.
Ansonsten nutze ich noch SocialBro, um meine Twitter-Follower zu analysieren. Und Hootsuite, aber nur gelegentlich. Und natürlich eine ganze Reihe kostenloser Tools, mehr oder weniger intensiv.
Gerade kleinere Unternehmen haben kaum Zeit, sich um Social Media zu kümmern und posten dann auf allen Kanälen das gleiche. Wir raten von solchen Maßnahmen eigentlich ab und sagen: Wenn Social, dann richtig, oder es lieber sein lassen. Wie siehst Du das?
In einer idealen Welt ist das sicher richtig. Da würde man für jeden Kanal eine komplett eigenständige Strategie oder zumindest komplett eigenständigen Content fahren. In der Praxis überfordert das viele Unternehmen. Eine gewisse Überschneidung im Content halte ich für durchaus vertretbar.
Es spricht zum Beispiel nicht viel dagegen, Facebook-Posts auch automatisch zu twittern, wenn das nicht der einzige Content auf Twitter ist. Oder auf XING und LinkedIn die gleichen Beiträge zu posten.
Manche Kanäle sollten sich aber durchaus unterscheiden. Facebook und XING zum Beispiel brauchen zumindest eine andere Ansprache, auch wenn der eigentliche Content (z. B. Links zu Fachartikeln oder Blogbeiträgen) ähnlich oder gleich ist.
Ich bin ein Fan der Regel, die im Facebook-Headquartier an der Wand hängt: “Better done than perfect”. Mit der “entweder richtig oder gar nicht”-Denkweise lässt man sich häufig Chancen entgehen, weil der richtige Zeitpunkt einfach nie kommt oder man sich nie wirklich bereit fühlt. Einfach mal anfangen und dann unterwegs lernen und verbessern, ist manchmal einfach die erfolgreichere Strategie. Was natürlich nicht heißt, dass man Hals über Kopf losstürzen sollte. Eine strategische Analyse und Planung und dann ein gezieltes Vorgehen sind natürlich immer sinnvoll und notwendig.
Du bist ja derzeit sehr gefragt und auch im Social Media Bereich kommt immer wieder das Thema, was Social kosten darf, hoch. Agenturen nehmen vierstellige Beträge dafür, dass sie drei bis vier Postings im Monat machen, und bezeichnen das als Social Media Betreuung usw., also ähnliche Problematiken wie zuvor beim SEO. Wie stehst Du zu diesem Thema?
Ja, das stelle ich leider auch immer wieder fest. Für viele Kunden ist es schwer einzuschätzen, was eine Leistung kosten darf und welche Leistung für einen bestimmten Preis angemessen ist. Das nutzen viele Agenturen aus.
Auf der anderen Seite sind manche Kunden einfach selbst schuld, weil der Sache einfach kein Wert beigemessen wird. Ich erlebe das häufig in Seminaren. Da habe ich dann Teilnehmer, die schon das dritte oder vierte Seminar besuchen. Die anderen Seminare wurden für sehr wenig Geld angeboten, entpuppten sich dann aber als Akquiseveranstaltung einer Agentur ohne wirklichen Mehrwert.
Günstige Seminare müssen nicht per se schlecht sein. Genauso wie eine günstige Beratung nicht schlecht sein muss. Aber man muss sich immer die Frage stellen: Warum bietet das Unternehmen eine Leistung so günstig an? Und ist das wirklich ein Schnäppchen oder könnte es sein, dass dahinter ganz andere Ziele des Anbieters stecken?
Aus dem SEO-Bereich kennen wir ja Agenturen, die “SEO” für 199 € im Monat anbieten - bei Ein- bis Zwei-Jahres-Verträgen. Da sollten natürlich die Alarmglocken klingeln. Was soll ein guter (und damit eben nicht spottbilliger) SEO denn für den Preis an Leistung machen? Das sind 1-3 Stunden Arbeitszeit. Da sind ein paar Auswertungen mit Tools und einige Optimierungsvorschläge drin oder vielleicht mal ein paar Linkanfragen, aber WIRKLICHE Leistung kann da nicht dahinterstecken. Viele dieser Agenturen machen einfach gar nichts und hoffen darauf, dass der Kunde bei so einem geringen Preis auch nicht groß nachfragt. Oftmals funktioniert das jahrelang.
Mein Rat: Komplette Transparenz einfordern. Alle Leistungen der Agentur müssen reportet werden, nicht nur erzielte Ergebnisse. Dann lässt sich einigermaßen einschätzen, ob das jetzt einen bestimmten Betrag wert war oder vielleicht eher nicht.
Schön gesagt Felix, dass sehen wir genauso. (Auch ein Grund, wieso wir in der Agentur ein eigenes Kundentool entwickelt haben, wo ALLE Maßnahmen, die ausgeführt werden, inklusive Arbeitszeit für den Kunden ersichtlich drin stehen). Im Zeitalter der Medien steht Social Media ja hoch im Kurs, zumindest nehme ich das mal an bei deinen ganzen Presseterminen der letzten Wochen. Woher kommt dieses mediale Interesse an Deiner Person?
Naja, Medien brauchen ja immer jemanden, der eine Einschätzung abgibt oder einen Sachverhalt erklärt. Wer sich da nicht allzu doof anstellt, wird bei nächsten Mal mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder angerufen. Die wirkliche Hürde ist, erst einmal da reinzukommen. Dafür sind m. E. vor allem zwei Faktoren ausschlaggebend: Erstens muss man überhaupt auffindbar sein. Also Pressearbeit, Google-Ranking, Networking, Social Media Präsenzen etc. Und wenn man dann gefunden wurde, muss man auch tatsächlich als Experte rüberkommen. Da helfen dann die Dinge, die man eben so tut, um sich als Experte zu positionieren, auch wenn sie wenig oder kein Geld bringen: Bücher schreiben, Lehraufträge ausüben, Vorträge halten, Kolumnen schreiben, etc. Das alles tue ich seit Jahren und es trägt Früchte.
Wie siehst Du Online Marketing in den nächsten Jahren? Wohin entwickelt sich der Markt und was ist der nächste große Trend?
Das ist immer schwer zu sagen. Google+ hat zum Beispiel niemand kommen sehen. Als es dann da war, hat niemand kommen sehen, wie schnell das Netzwerk wieder an Relevanz verliert :-D.
Ich prognostiziere mal, dass der Content Marketing-Trend noch eine Weile anhält. Im deutschen Mittelstand ist das ja zumindest in der Praxis noch überhaupt nicht angekommen. Auch Bewegtbild und mobile Anwendungen bzw. mobiles Marketing werden uns auf jeden Fall verstärkt die nächsten Jahre begleiten.
Dem Thema Live Streaming räume ich noch eine gute Zukunft ein. Alles deutet ja auf eine immer stärkere Ausrichtung auf Echtzeit-Inhalte hin, da passt das gut zum Zeitgeist.
Es bleibt also spannend. :-)