In unserer Reihe "Personen aus der Szene" stellen wir Euch regelmäßig Persönlichkeiten vor, die in Eurer Übersicht nicht fehlen sollten.
Heute geht es um: Professor Mario FischerHallo Mario und vielen Dank, dass Du dich für das Interview zur Verfügung stellst. Du betreibst die Website Boosting und bist Dozent an der FH Würzburg. Letzteres sehr erfolgreich, aber das kannst Du unseren Lesern ja vielleicht in einer kleinen Vorstellung deiner Person selbst erzählen.
Na, ich hoffe, dass nicht nur Letzteres erfolgreich läuft. ;-) Ich beschäftige mich seit ca. 2006 bereits mit dem Web und wie man Unternehmenswebsites erfolgreicher gestalten kann.
Früher war SEO natürlich einfacher bei den Suchmaschinen wie Fireball oder Altavista. Das war ein bisschen wie auf sitzende Enten zu schießen. Mit Google wurde dann alles anderes und deutlich anspruchsvoller.
Studiert habe ich Wirtschaftswissenschaften mit den Schwerpunkten Wirtschaftsinformatik, Industriebetriebslehre und Kommunikationswissenschaft. Dieses fundierte Wissen hilft mir noch heute sehr.
Nach dem Studium hab ich mich dann mit einem Beratungsunternehmen selbstständig gemacht und nebenher noch meinen Doktor gebaut. 1998 wurde ich dann als Professor in den Studiengang Informatik an der FH Würzburg berufen. Kurz danach durfte ich dort den Studiengang Wirtschaftsinformatik aufbauen. Dort hatte ich dann recht bald zunächst als Studienschwerpunkt „E-Commerce“ etabliert. Ich glaube, wir waren damals die ersten und die Absolventen wurden uns aus den Händen gerissen. Einige haben mittlerweile schon beachtliche Karrieren hingelegt und zum Teil sehr erfolgreiche Unternehmen gegründet. Darauf bin ich sehr stolz.
Vor vier Jahren bekam ich dann die Gelegenheit, einen kompletten, eigenständigen Studiengang „E-Commerce“ zu gründen. Das war der erste staatliche und international akkreditierte Studiengang dieser Art in Deutschland, wahrscheinlich sogar europaweit. Dabei haben wir nicht einfach Fächer aus anderen Studiengängen zusammengebunden und ein bisschen „EC“ dazu gepatched, sondern die Vorlesungsmodule nach den Anforderungen des Marktes neu designed.
Nach der zweiten Auflage meines Buches „Website Boosting“ bin ich mit einem Kollegen dann auf die Idee gekommen, statt einer dritten Auflage besser gleich eine Zeitschrift herauszubringen. Die Dinge ändern sich gerade im Online Marketing so schnell, dass ein Buch da nur noch sehr schwer aktuell zu halten ist. Das läuft bestens. Wir haben fünf Jahre nach der Gründung noch immer steigende Abozahlen und das Echo aus den Unternehmen ist phänomenal.
Da wir ja gerade von der Website Boosting sprechen, wann gibt es diese als App? Als PDF bietest Du diese bisher auch nicht an - verschläfst Du damit nicht gerade einen Trend, den Du ja eigentlich aus nächster Nähe beobachtest?
Ja sicher, auf diese Idee sind wir überhaupt noch nicht gekommen! Mensch super. Nein, im Ernst. Diese Frage kommt immer wieder und meist so, als ob wir da nicht selbst schon drauf gekommen wären. In der Tat haben wir vor der Gründung des Verlags und auch immer wieder zwischendrin darüber sehr intensiv gesprochen und die Entscheidung für „nur Print“ ist aus der Abwägung sehr vieler Gründe und Argumente gefallen. Das hier alles zu erläutern würde viel zu weit führen.
Aber es gibt ungleich mehr Leser, die mir bei Begegnungen aktiv zustimmen, dass sie es gut finden, auch mal was haptisch Fühlbares in der Hand zu halten und im Schrank stehen zu haben. Die schauen den ganzen Tag auf den Bildschirm und sind froh, das dann da nicht auch noch zu müssen. Zudem haben wir pro Ausgabe bis zu sieben Leser, weil in den Unternehmen die Ausgaben häufig weitergegeben werden.
Auch der fehlende Kopierschutz ist natürlich ein Thema. Mein Buch wurde z. B. mehrmals gescannt und über Tauschbörsen illegal zum Download angeboten. Darüber liefen deutlich mehr Kopien als über den legalen Verkauf. Und gerade in der Onlinebranche gibt es natürlich viele, die auch Cracking-Know How haben und die eine Ausgabe als PDF ungeniert weitergeben würden. Wir sind einfach viel zu klein, viel zu viel Nische, als dass wir alle Kanäle bedienen könnten. So etwas können der Spiegel oder der Focus machen. Und eine App? Willst Du ein Fachmagazin wirklich auf dem Smartphone lesen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Spaß macht. Es gibt noch eine Menge anderer, wichtiger Gründe.
Wie gesagt, wir machen das sehr bewusst und nicht aus Schlafmützigkeit oder weil wir nicht verstehen, wie online geht. ;-) Und hey – bis auf einige Unkenrufe, dass man alles nur noch elektronisch lese, läuft alles prima. Ich mag aber nicht ausschließen, dass wir vielleicht irgendwann mal wohlüberlegt „umziehen“, dann aber rein digital und nicht parallel mit Print.
Betreibst Du eigentlich noch SEO für Kunden, oder hast Du eigene Projekte? Wie aktuell ist die Übersicht? (http://www.mario-fischer.de/web-usability/projekte.html) Dein Wissen ist ja praktischer Natur, also wirst Du es ja irgendwo anwenden?
Oh – böse. Nein, die Projektübersicht ist schon älter bzw. das habe ich seit Jahren einfach aus Zeitgründen nicht mehr aktualisiert. Zudem bekomme ich mehr Anfragen, als ich Kapazität habe. Daher bleibt diese Art „Eigenmarketing“ auf der Strecke.
Das beantwortet eigentlich schon die andere Frage. Ich hab in den letzten 20 Jahren geschätzt sicher mehr als 500 Unternehmen und Unternehmer beraten in Sachen online.
Eigene Projekte laufen noch, aber die verwende ich praktisch nur noch ab und zu für Tests. Zusätzlich bekomme ich durch meine recht gute Vernetzung auch häufig Einblicke in die Arbeit anderer. Das alles zusammen ermöglicht es schon relativ genau zu erkennen, was aktuell noch geht bei SEO und v. a. wo die Reise hingeht. So kann man den Unternehmen heute schon sagen, wo sie investieren müssen, damit es nicht nur jetzt, sondern eben auch noch in der Zukunft stabil funktioniert. Soweit man das natürlich sagen kann, denn vom Glaskugelbefragen halte ich nichts.
Woher beziehst Du deine Informationen und wie genau verfolgst Du Änderungen bei Google und Co.? Glaubst Du, dass es für die Webmaster wichtig ist, z. B. den Webmaster Hangouts oder Profilen von Google Mitarbeitern zu folgen? Natürlich wäre auch die Website Boosting eine Option. ;)
Man muss schon am Ball bleiben. Zum einen sehe ich natürlich ständig, dass etwas bei Kunden passiert, was wie gut greift. Dazu kommt der Austausch mit anderen Experten, teils öffentlich, aber in der Regel eher nicht. Natürlich habe ich auch einen weiten Radar aufgebaut und versuche, den richtigen Leuten online zu folgen. Konferenzen und eigene Analysen runden das ab.
Das Networking ist ganz entscheidend, wird aber meiner Ansicht nach immer unterschätzt. Man muss da wirklich langfristig Kontakte aufbauen. Sich mal schnell in einer Konferenzpause neben einem Experten zu stellen und „Hallo, was sind denn die neuesten Highlights im SEO“ zu fragen, bringt da eher wenig. So etwas muss wachsen – teils über viele Jahre. Und natürlich ist es immer ein Geben und Nehmen. Fast alle richtig guten SEOs, die ich kenne, sind aber extrem offen, nett und ansprechbar.
Wenn man Dich kennt, bzw. Deine Beiträge kennt, dann merkt man, dass Du SEO lebst und liebst. Kritisch und hart, aber immer mit dem Drang sich weiter zu entwickeln. Du bist jemand, der auch die Größeren einmal direkt angreift und Tacheles redet. Man merkt, dass Dir gerade die "schwarzen Schafe" der Branche doch sehr ein Dorn im Auge sind, oder täuscht dies?
Ich beschäftige mich ja nicht nur mit SEO, sondern auch allen anderen Themen, die für eine erfolgreiche Website nötig sind. Was nützt monsterviel Traffic, wenn am Ende alle Besucher die Site bzw. den Shop wegen schlechter Usability wieder verlassen? Da ist meiner Ansicht nach noch extrem viel Nachholbedarf für die Unternehmen. Trotzdem schielen alle eher auf SEO. Vielleicht sind es auch die falschen Kennzahlen, nach denen man den Erfolg versucht zu messen und die immer unsinnigerweise „KPI“ genannt werden, obwohl sie es gar nicht sind.
Natürlich habe ich die Beratung für Unternehmen nie aufgegeben und oft rufen bei uns im tms institut verzweifelte Shopbetreiber an, die bereits nicht selten von mehreren SEO-Agenturen erfolglos um Geld erleichtert wurden oder sogar in Google Strafen getrieben wurden. Daher kommt auch meine Aversion gegen die vielen schwarzen Schafe.
Wenn man in Telefonaten die Verzweiflung eines Unternehmers mitbekommt, dem man teuer Besserung versprochen hatte und der am Ende weniger Traffic hat, als vorher… Das berührt einen dann schon. Da hängen ja sehr oft viele Existenzen dran und viele Unternehmen haben halt noch nicht das Wissen, gute von minderwertiger Arbeit zu unterscheiden. Sie –müssen- glauben, was man ihnen erzählt. Wobei der Ausdruck „schwarze Schafe“ vielleicht missverständlich ist. Oft wissen es Agenturen gar nicht anders. Man schreibt halt jetzt auch „SEO“ mit auf die Website, weil man sonst keine Kunden mehr bekommt. Die wenigsten beschäftigen sich aber intensiv genug mit dem Thema, um wirklich die richtigen Dinge zu tun.
Viele Gründer und junge Unternehmen, die gerade die ersten Berührungen mit dem Online Marketing machen, tun sich schwer mit SEO - das ist nicht wirklich greifbar sie. Dennoch ist die Suchmaschinenoptimierung im Online Marketing ein wichtiger Aspekt und wohl bei den wenigstens Strategien wegzudenken. Was würdest Du dieser Personengruppe raten, damit Sie bei den ersten Schritten nicht an die "Ich garantiere Platz 1"-Fraktion geraten?
Die Antwort ist leicht. Arbeit, Fleiß, Experimente. SEO und was drumrum alles dazugehört, ist mittlerweile recht umfangreich geworden. Das kann man nicht mal eben in einigen Tagen lernen. Ich versteige mich mal in der dreisten Behauptung, dass es heute in etwa vergleichbar mit einer handwerklichen Ausbildung ist. Ein Teil geht über Theorie (Schule) und ein wesentlicher Teil über Mitarbeit und Learning by Doing. Vielleicht muss man da nicht gleich drei Jahre ansetzen, SEO ist ja keine Raketenwissenschaft. Aber es gehört eben viel Erfahrung dazu, die man nur im Lauf der Zeit erwerben kann. Schließlich muss man erst mal kapieren, dass man das Problem seines Kunden verstanden haben muss bzw. besser: Wie dessen Kunden ticken. Nur dann kann man ihm wirksam helfen. Daran krankt es, glaube ich, bei den meisten noch jungen SEOs oder Agenturen. Es fehlt an echter Erfahrung. Man spult beim Kunden immer das gleiche, oft eher technisch ausgerichtete Programm ab und schießt damit mit der Schrotflinte in den Wald. Dann rennen alle los und schauen, ob man was erwischt hat, und erklärt das dann zum Erfolg.
Und hier sind wir bei einem der größten Knackpunkte: Es geht alles viel zu schnell. Der enorme Sog der Unternehmen nach „SEO“ und das deswegen auf den Straßen liegende Geld, lässt viele den einfachen Weg gehen. Warum auch nicht? Wenn ich jedem Typen, der mir unterwegs begegnet und ein Schild umhängen hat „Blindarm-OP für 250.- €“ vertraue und mich bei dem auf den Tisch lege, weil es mich im Bauch zwickt… Die Unternehmen begünstigen also oft schlechte Minderleistung, weil sie sich keine Mühe bei der Auswahl geben. Wenn einer „ich mach für Dich auch SEO“ sagt, reicht es vielen aus. Somit wächst und nährt sich ein System in der Branche, das nicht auf Qualität achtet, fast keinerlei akzeptierte bzw. nachprüfbare Qualitätsstandards hat und bei dem das Geld allzu leicht die Seiten wechselt wegen des Leidensdrucks, dass man nicht gefunden wird. Ich sehe ja oft die Arbeit, die SEOs hinterlassen haben und in mehr als geschätzt zwei Drittel der Fälle schüttelt es mich, weil bereits gegen Basics verstoßen wurde. Und: Es gibt auch 2015 noch Agenturen, die ihren Kunden erzählen, sie müssten das Keyword-Tag befüllen! Brrr….
Was also tun? Ich weiß da ehrlich gesagt auch kein Patentrezept. Geht man in eine minderbegabte Agentur, lernt man am Ende zu wenig oder schlimmer das Falsche. Die Krux dabei ist, dass es sehr (!) viel zu wenig gute Agenturen gibt, bei denen alle zur Ausbildung unterkommen könnten oder die man beauftragen könnte. Die sind alle ausgebucht. Und wenn eine vormals gute Agentur dann gutes Marketing macht und zu schnell wächst, fehlt Personal. Das wird eilends nachgezogen, die Zeit für eine Ausbildung reicht nicht und man lässt sie schon nach Tagen (kein Spaß!) auf Kundenprojekte los. Weil keine Kapazität da ist, wird auch nicht mehr kontrolliert, was da gemacht wurde. Und so kommt es, dass mit dem Wachstum oft beobachtbar die Kundenzufriedenheit schnell schrumpft. Einige Beispiele gibt es da ja. Damit will ich aber nicht sagen, dass eine große Agentur keine gute SEO Arbeit leistet. Es ist aber einfach eine leicht einsehbare Tatsache, dass die Ausbildung bzw. die Vermittlung von nötigem Wissen und Erfahrung eben nicht beliebig skalierbar ist. Und sie müssten von den Besten im Unternehmen gemacht werden. Die sitzen aber (nicht selten) für 3.000.- € oder mehr pro Tag beim Kunden.
Kann man eine Anwaltskanzlei gründen, ohne Jura studiert zu haben? Darf man Heizungsanlagen einbauen, ohne einen Meisterbrief zu haben? Man darf noch nicht mal gewerblich Fenster putzen – auch hier muss man zwei bis drei Jahre in die Lehre gehen! Man muss den Gründern einfach auch offen sagen, dass sie viel Zeit mit einrechnen müssen und vor allem auch erst mal eigene Projekte betreiben müssen, um Erfahrung zu sammeln. Mit dem Anschrauben eines Türschilds ist es nicht getan. Die Kunden kommen zwar dann bereits angelaufen, aber ob man auf dieser Basis wirklich ein Unternehmen aufbauen will, muss jeder selbst entscheiden. Ist es nicht ein wenig wie beim Goldrausch damals? Alle sind rübergerannt an die Westküste, weil dort jeder Gold schürfen konnte. Man hat alles stehen und liegen lassen. Wie viele wurden damals wirklich reich? Die wenigsten. Wer sich also nicht blenden lässt vom schnellen Geld und nachts auch längerfristig gut schlafen will, sollte vielleicht nicht den easy way gehen. Investition in Wissen lohnt immer und zahlt sich langfristig auch stabiler aus. Und Wissen ist nach wie vor das Einzige, was einem niemand mehr nehmen kann. Trotzdem verstehe ich den Gründungsrun in Sachen SEO. Man kann wirklich mit einem Einsatz von fast null Geld verdienen. Wer weiß, wäre ich jünger, würde ich dieser Versuchung vielleicht auch unterliegen…
Ja, ich kenne Deine Einstellung zu dem Meta-Keyword-Tag :) Aber mal im Ernst, ich glaube, viele Agenturen machen schon eine ganz gute Arbeit und sind extrem engagiert. Inwieweit sollte es in der Branche mehr Anlaufstellen für Weiterbildungsmöglichkeiten geben und auch Agenturzertifizierungen. BVDW und AFS Akademie mal in den Raum geworfen.
Es werden auch noch einige weitere Projekte dieser Art folgen, wie ich gehört habe. Es entsteht also gerade aus Deinen oben genannten Gründen hier so langsam ein Markt, wo sich Personen / Agenturen hinstellen und sagen "Wir bilden aus" oder "Wir führen die Weiterbildung durch". Wie sieht es hier wieder mit der Qualität aus und welchen Mehrwert kann das letztendlich für den Kunden haben? Ist hier vielleicht langfristig nicht auch der Staat gefragt, gewisse Richtlinien festzulegen? Ich bin ja selber im IKT Ausschuss der IHK Brandenburg, gehör in der Politik findet man hier nicht mit diesem Thema. Vielleicht ist das über die Hochschulen anders möglich?
Nun, es ist wie immer im Leben. Was man reinsteckt, bekommt man wieder raus. Wer wirklich gute Dozenten mit Ahnung aufbieten kann, kann da sicher auch eine gute Ausbildung bieten. Da muss man jetzt vielleicht zwischen den Zeilen lesen. Wenn ein guter SEO oder erfolgreicher Berater im Markt beim Kunden durchaus vierstellig am Tag verdienen kann, dann muss ihm eine IHK oder ein privates Institut das erst mal bezahlen. Das Gegenteil passiert aber. Für Stundenlöhne im zweistelligen Bereich werden Dozenten angeworben und den anvertrauten Zuhörern wird dann nur mit viel Glück eine interessante Ausbildung zu Teil. Woher sollen denn plötzlich Hunderte von guten Dozenten kommen? Wo waren die vorher bzw. was haben die vorher gemacht? Broschüren sind geduldig und von mindestens einer privaten Ausbildungsstätte weiß man ja, dass zu Werbezwecken Dozenten aufgeführt werden, die dort noch niemals unterrichtet haben oder sogar schon mehrmals öffentlich erklärt haben, es niemals zu tun.
Bei den staatlichen Stellen ist es aktuell nicht besser. Woher soll denn der wissenschaftliche Nachwuchs kommen, wenn an den Unis auf die Fläche bezogen (natürlich gibt es Ausnahmen) noch immer nichts Ernsthaftes in Richtung Online unternommen wird. Für eine Professur muss man in der Regel eine einschlägige Promotion vorweisen. Die wenigen, die mit Dr.-Titel unterwegs sind, verdienen in den Unternehmen so gut, dass sie den Schritt in die Lehre bei den Gehältern, die der Staat bietet, nicht wagen. Es ist nun mal so, dass ein Professor für Archäologie das gleiche Gehalt bekommt, wie einer für Online Marketing. Für Ersteren mag das bezogen auf den freien Markt viel sein, für den Zweiten wäre es immer ein arger Rückschritt.
Warum sitzen die besten Sicherheitsexperten nicht bei der Polizei? Warum geben die Politiker viele Millionen für Berater aus, obwohl sie eine Armada von Staatsbediensteten haben? Weil der Sog und die Gehälter in solch gefragten Bereichen so stark sind, dass der Staat da nicht mitspielen kann oder will. Es ist –wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann- nicht leicht, wirklich geeignete Bewerber/innen für Professorenstellen zu finden. Wir suchen aktuell auch noch. Gerade in diesem Bereich hab ich zu meinem eigenen Leidwesen viel zu viel Insiderwissen und mir ist nicht wohl, wenn ich mitbekomme, was da gerade auf Teilen des Bildungsmarktes abläuft. Aber alles in allem tut sich natürlich schon spürbar was und das ist auch gut und nötig so. Leider bei Weitem nicht in dem Umfang, wie es erforderlich wäre für die deutsche Wirtschaft.
Der Fachkräftemangel in diesem Bereich wird in wenigen Jahren DIE 1A Wachstumsbremse sein. Erst dann, wenn die Lobbyisten den Politikern die Türen einschlagen, wird sich da was bewegen. Sollte es dann spürbar Gelder für staatliche Ausbildung in dieser Richtung geben, dauert es dann nur noch etwa sechs bis sieben Jahre, bis Absolventen auf dem Arbeitsmarkt sind. So lange braucht es mindestens, bis Stellen geschaffen und besetzt sind und dann noch die drei bis dreieinhalb Jahre (6-7 Semester) vorbei sind… Wenn man das alles berücksichtigt und den Bedarf schon heute anschaut – dann verstehst Du sicher, warum ich der Meinung bin, dass das alles bei Weitem noch nicht reicht. Für die hohe Veränderungsgeschwindigkeit, die das Web ganz allgemein vorgibt, sind die staatlichen Strukturen aktuell vielleicht noch nicht genügend angepasst. Ok, das „vielleicht“ ziehe ich zurück! ;-)
Das verstehe ich durchaus. Verrate uns doch zum Abschluss noch Deine Gedanken zu den Themen, wie sich SEO in den nächsten Jahren weiterentwickelt und was Du für die kommenden Jahre geplant hast.
SEO wird und muss sich weiter professionalisieren. Die Unternehmen müssen mehr Basis Know How aufbauen und Agenturen müssen dort unterstützen, wo eine Spezialisierung bzw. Spezialwissen verlangt wird, wie z. B. bei einem Relaunch oder wenn zusätzlich ein Blog integriert werden soll. Wenn man sich fragt, was SEO letztlich ohne das Drumrum ist, ist es eigentlich aufs kurze Gras gezogen nichts anderes, als die Dinge im Web zu tun, die den Suchenden/Besuchern/Kunden weiterhelfen. Jemand via Google einzufangen und ihm dann eine Seite mit einem eingekauften 3-Sterne Text zu präsentieren, von dem man das „Dei Mudda…“ am Anfang gelöscht hat, ist wenig zielführend. Wenn es gelingt, die richtigen Infos in der richtigen Zusammensetzung und userfreundlich zur Verfügung zu stellen UND Google einen immer besseren Job macht, kann man auf „Tricks“ und „so tun als ob“ verzichten. Im Gegenteil werden später die Websites Sieger bei Google sein, die Besucherzufriedenheitssieger sind. Das wird nur noch wenig mit dem klassischen, eher losgelösten SEO zu tun haben. Wir brauchen Leute, die in der Lage sind, Besucherströme anhand von Daten richtig zu interpretieren und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, wo es noch hakt und wo man noch besser werden kann. Hey – wie im realen Leben auch, oder? Da schaut man sich doch auch ab und an im Ladengeschäft um und beobachtet die Kunden beim Einkaufen, ob sie zufrieden sind, alles finden und gerne wieder kommen.
Was ich geplant habe? Ein schlauer Mensch hat mal gesagt, die Zukunft könne man nur vorhersagen, wenn man sie selbst aktiv gestaltet. In diesem Sinne versuche ich, meinen bescheidenen Beitrag dazu zu leisten - über meine Vorlesungen, die Zeitschrift und über Vorträge, Gespräche und Diskussionen mit möglichst vielen Interessierten. Momentan ist das Web noch viel zu oft ein schrecklicher Ort, um an echten Interaktionen Spaß zu haben. Wenn die Betreiber zukünftig weniger auf meist irrelevante Metriken wie Seitenaufrufe, Besuchsdauer oder die Anzahl der Visits schielen, sondern versuchen, die wirkliche Zufriedenheit zu messen, haben wir sicher alle etwas davon. Ob gerade deutsche Shopbetreiber aber bis dahin nicht schon den letzten Besucher zu Amazon getrieben haben, bleibt abzuwarten.