In unserer Reihe "Personen aus der Szene" stellen wir Euch regelmäßig Persönlichkeiten vor, die in Eurer Übersicht nicht fehlen sollten.
Heute geht es um: Julian Dziki von Seokratie.
Hallo Julian und vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Interview nimmst. Du bist ja schon sehr lange dabei und gehörst zu den Größen der Szene. Deine Blogbeiträge auf Seokratie werden immer wieder aufgegriffen und geben anderen guten Input. Stell dich doch unseren Lesern einmal kurz vor und erkläre uns, wie man zum SEO kommt und eine doch sehr große SEO Agentur aufbaut.
Hallo Michael! Vielen Dank für die Gelegenheit. 2007 habe ich SEO für mich entdeckt und mich sofort in die Arbeit und die Branche verliebt. Damals habe ich noch Geschichte studiert, wusste aber sehr bald, dass ich auch dauerhaft im Online Marketing arbeiten will. Am Anfang habe ich kaum Geld verdient, nach sechs Monaten lag ich bei 2 Cent Stundenlohn. Ich weiß noch, wie ich mir damals dachte „Wenn ich es schaffe, dass ich davon hauptberuflich leben kann, dann wäre das mein Traumleben.“ Heute lebe ich meinen Traum mit 22 Mitarbeitern. Wachstum war mir eigentlich nie wichtig, ich hasse das Wort „Skalierung“. Da mir die Arbeit auch weiterhin Spaß machen soll, sind wir bewusst klein geblieben und dafür „klein aber fein“.
Nun das Thema Stundenlohn wurde dieses Jahr im SEO Bereich ja auch schon diskutiert. Bei 2 Cent wirst du sicherlich schon lange nicht mehr liegen. Was glaubst du ist eine faire Abrechnung mit dem Kunden?
Wir haben momentan einen Hybrid zwischen stundenbasierter und stückbasierter Abrechnung. Das finde ich am fairsten. Ansonsten sollen die Kunden das zahlen, was es Ihnen wert ist und die Agentur soll das verlangen was sie sich erlauben kann. Angebot und Nachfrage regeln den Preis.
Ihr bloggt ja regelmäßig und habt dabei auch immer wieder spannende Beiträge. Wie kommt ihr auf die Themen? Das sind ja teilweise echte Fachartikel die ihr da raushaut und die Qualität der Beiträge ist immer sehr hoch, egal von wem diese stammen. So etwas bedarf doch einer ausführlichen Planung? Ihr werdet ja sicherlich den Verlauf der Beiträge auch tracken, lohnt sich der Aufwand tatsächlich, gemessen am Ertrag? Als Geschäftsmann wirst du sicherlich hier ja auch ein Auge drauf haben, oder ist das Bloggen über SEO für dich auch Hobby, so dass der Ertrag hinten an steht?
Wer bei uns einen Fachbereich verantwortet, der hat automatisch die Verpflichtung, regelmäßig zu bloggen. Die Themen suchen sich die Leute selbst aus, allerdings immer in Absprache mit dem Team. Den Mehrwert, den wir damit für die Firma schaffen, kann man gar nicht genug betonen:
1. Jeder Mitarbeiter setzt sich intensiver mit seinem Teilbereich (Usability / Content Marketing / Social Media / Onpage) auseinander und muss öffentlich seine Thesen präsentieren. Wäre der Inhalt schlecht oder gar falsch, würden wir das auch schnell in den Kommentaren sehen. Wir prüfen also unsere Einstellung und unsere Thesen öffentlich.
2. Gleichzeitig hilft Content Marketing (denn das ist es ja, was wir machen) ja auch ungemein unserem Wachstum als Marke.
3. Bekommen wir mehr Besucher über Google und bessere Rankings über Content Marketing.
4. Können wir so auch unser Social Media besser nach vorne treiben und nicht – wie andere Agenturen - nur neue Mitarbeiter und neue Kunden bekannt geben. Guter Content ist ja essentiell für gutes Social Media.
5. Haben wir mehr Bewerbungen, weil wir sympathischer wirken als andere Agenturen.
6. Haben Abteilungsleiter mehr Legitimation, weil sie Ihre Kompetenz auch von außen anerkannt wird.
7. Können wir neue Dinge in unserem eigenen Ökosystem ausprobieren, optimieren und perfektionieren, bevor wir es Kunden anbieten (E-Mail Marketing, Marketing Automatisierung).
8. Und viele, viele Gründe mehr.
Ich kann nicht verstehen, wieso SEO Agenturen Content Marketing ihren Kunden anpreisen und verkaufen, es aber selbst nicht für die eigene Agentur tun? Anscheinend ist man dann vom eigenen Produkt selbst nicht überzeugt. Content Marketing ist sehr aufwendig, aber langfristig lohnt es sich immer.
Du hast dich ja mit Seokratie deutlich zum SEO positioniert. Nun wandelt sich die Szene und SEO weicht immer mehr auf, bzw. verschwimmt begrifflich mit anderen Wörtern. In wie weit siehst du in den kommenden Jahren da ein Problem mit dem Firmennamen bzw Webseitennamen? Das SEO nicht tot ist wissen wir beide, aber werdet ihr auch wie andere Firmen bald Dinge wie Social Media und Co anbieten? Steht also hier auch eine Erweiterung des Portfolios eurer Dienstleistungen ins Haus?
Ich habe mich nie deutlich zum SEO positioniert. Im Gegenteil sind wir mittlerweile keine SEO-, sondern bereits eine Inbound Marketing Agentur. Mit dem Firmennamen sehe ich kein Problem. Ob wir bald Social Media anbieten? Ja, das tun wir bereits seit langem, auch Usability und Content Marketing. Das steht auch so schon auf der Webseite. Komischerweise denken die Leute, dass SEO immer weniger nachgefragt wird. Das stimmt aber überhaupt nicht, denn immer noch in SEO weit mehr „sexy“ als zum Beispiel Usability. Wenn jemand bei uns SEO will, aber eine schreckliche Webseite hat, dann müssen wir ihm Usability fast schon aufzwängen. Gutes SEO geht eben nicht mehr ohne eine gute Webseite.
Wir bieten das also nicht an, weil Nachfrage besteht, sondern weil man es für gute SEO Arbeit mittlerweile braucht. Den Firmennamen werden wir nicht ändern. Seokratie ist ja bekannt - und ein Name ist eben nur ein Name.
Das Social Media hatte ich dann tatsächlich übersehen auf der Webseite :) Ich kenne die Probleme mit schlechten Webseiten nur zu gut. Auch ein Grund, wieso wir uns entschlossen haben, selber Webseiten anzubieten. Wie wichtig sind für Euch hier die Onpagefaktoren? Ändert ihr Dinge direkt beim Kunden oder zeigt ihr Fehler und Lösungsvorschläge auf und die Kunden müssen dies selbst umsetzen?
Onpage ist gefühlt viel wichtiger geworden als früher und insgesamt ist Onpage ein sehr wichtiges Thema. Bei normalen Webseiten ist das quasi die Basis, die einfach stimmen muss, damit man hier nicht ein Nadelöhr generiert. Bei großen Online-Portalen gibt es mittlerweile Leute, die sich fast ausschließlich um interne Verlinkung und Webseitenstruktur kümmern. Man kann Onpage eben immer noch mit kleinen Änderungen sehr große Effekte erzielen – das geht in keinem Bereich so schnell und einfach wie dort. Da unsere Kunden mit einer Vielzahl von Content Management- und Shopsystemen arbeiten, setzen wir die Änderungen nicht selbst um. Das macht dann meistens die Shop-Agentur oder der Programmierer.
Was sind für dich die wichtigsten SEO Metriken. Wenn du an einer Seite inkl. Offpage nur drei Dinge ändern dürftest, welche Dinge wären das und wieso gerade die drei Punkte.
1. Leben in die Seite bringen und zeigen, dass Menschen hinter der Webseite stehen (Über uns Seite, Fotos vom Team, persönliche Dinge, das „Warum“ präsentieren etc.). Diese Dinge sind viel wichtiger für den User und damit den Algorithmus als ein paar Links.
2. Alle Texte überarbeiten und mit Sinn füllen. Ebenso Titles und Descriptions auf den User ausrichten. Eine niedrige Absprungrate und eine hohe CTR wirken sich enorm positiv aus.
3. Ein Magazin zum Websitethema bauen und dann dort unheimlich gute Beiträge schreiben. Auch wieder Userverhalten, außerdem kommt man so an tolle Kooperationen heran, ohne dass man Links kauft oder tauscht.
Penguin und Panda nun bald im ständigen Rollout, der PR lebt und nur die PR Bar ist tot. Google macht es uns immer schwerer, nachzuvollziehen, welche Änderungen welche Auswirkungen haben. In wie weit beeinflussen solche Meldungen und Änderungen seitens Google eure tägliche Agenturarbeit? Wie informiert ihr Euch und vor allem wie teilt ihr das Wissen innerhalb der Agentur? Reicht es wenn z.B. du informiert bist, oder gibt es regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter und Co?
Mittlerweile weiß bei uns nicht mehr jeder über alles Bescheid. Zum Beispiel sind Content Marketing, technisches SEO und Facebook Advertising drei völlig unterschiedliche Bereiche. In allen kann man kein Experte sein. Wir haben aber einen sehr aktiven Skype Chat, wo man interessante Sachen gerne postet, regelmäßige Meetings, monatliche Statusberichte und wöchentliche Schulungen. In seinem Spezialbereich muss man aber selbst fit bleiben, indem man die richtigen Leute kennt und die richtigen Blogs / Quellen liest. Dazu zählen auch viele Konferenzen. Heute ist unser Social Media Team etwa auf der Social Media Conference in Hamburg. Grundlegendes Wissen hat jeder aus jedem Bereich. Wenn ich allerdings z.B: eine Infografik brauche, dann gehe ich zur Content Marketing Leitung und frage, ob sie das machen können.
Vielen Dank, lieber Julian, für die Einblicke in eure Arbeit!