In unserer Reihe “Personen aus der Szene” stellen wir euch regelmäßig Persönlichkeiten vor, die in Eurer Übersicht nicht fehlen sollten. Diese Menschen bringen die Szene wirklich voran und überzeugen mit spannenden Ideen und interessanten Insights.
Heute geht es um: Tina Gallinaro
Hallo Tina und vielen Dank, dass du dir Zeit für ein Interview genommen hast. Wir kennen dich als engagierte Social Media Expertin und folgen deinen Kanälen schon seit Bestehen unseres Portals mit großem Interesse. Aber stell dich doch bitte unseren Lesern einmal selbst kurz vor.
Hallo Oliver, vielen Dank für die Einladung, der ich sehr gerne gefolgt bin. Wie beschreibt man sich selbst am besten? Das ist genauso schwer, wie selbst eine Über-Mich-Seite ins Leben zu rufen, weil man bei der Beschreibung oftmals den berühmten Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. :-)
Ich wohne seit circa 15 Jahren mit meiner Familie in Baden-Württemberg, im wunderschönen Landkreis Biberach, ursprünglich bin ich aber een kölsche Kink.
Seit 2008 begleite und coache ich KMU-Kunden auf dem Weg in die sozialen Netzwerke. Meine Kunden sind eigentlich noch gar nicht im Internet vertreten und viele haben Bedenken, sich bei Facebook, Twitter, Google und Co. zu präsentieren, geschweige denn sich etwas zurecht zu finden.
Manchmal ist es ehrlich gesagt nicht leicht, den Kunden dort abzuholen, wo er gerade steht. Viele KMU, die auf mich zukommen, weil ich weiterempfohlen worden bin, sind bereits eine Zeit lang mit Ach und Krach in den sozialen Netzen unterwegs und “negativ vorbelastet”, wenn ich das mal so ausdrücken darf.
Sie sind meist auf Versprechungen reingefallen, die ihnen während überteuerten und sinnlosen Webinaren gemacht wurden. Hier denke ich beispielsweise an Fankauf und Co.. Je mehr selbsternannte Berater und Windhunde das Netz unsicher machen, umso mehr Aufklärungsarbeit muss ich leisten. Dass es zum Beispiel keinen Sinn macht, 5000 “Freunde” auf Facebook zu haben und / oder sich in Like gegen Relike Gruppen aufzuhalten.
Es gibt auch fragwürdige Gestalten, die verkaufen den ahnungslosen KMU einen teuren Blog. Aufschwatzen wäre eigentlich der bessere Ausdruck, wenn ich mich an das letzte Gespräch mit einem Anrufer erinnere. Da hatte ihm wohl eine “Agentur” gesagt: “Ein Blog ist in, ein Blog ist ein MustHave, ohne Blog bist du ein Niemand…” Dazu hatte man ihm für die Erstellung eines Angebots 1400 € berechnet, weil man für so ein Angebot zwei Tage brauchen würde…
Ein Blog würde dann über 5000 € kosten und die Einweisung dann separat nochmal 250 € je Stunde und der Kunde müsste garantiert 15 Stunden dafür einplanen…
1400 € für das Angebot + 5000 € für einen Blog + 3750 € für die Einweisung macht mal eben eine Summe von über 10.000 €. …….?????
Ob überhaupt die Bereitschaft für einen Blog besteht, ob man die notwendigen Ressourcen dafür aufbringen könnte und so weiter, das wurde gar nicht berücksichtigt. Oh, ich könnte mittlerweile ein dickes Buch darüber schreiben, was so alles verkehrt läuft und wie man dies vielleicht besser machen könnte. Man sollte doch auf die Wünsche und Bedürfnisse des jeweiligen Kunden zugehen, ihm zuhören und nicht irgendetwas verkaufen, was vielleicht keinen Sinn macht. Das ist jedenfalls meine Arbeitseinstellung und das schätzen meine Kunden sehr!
Andererseits mache ich mir mit meiner Offenheit auch manchmal Feinde, weil ich diese merkwürdigen Machenschaften auch anprangere, wenn es sein muss. Kennst Du Izmir ? Izmir sowas von egal. :-) Ich finde, nur mit Ehrlichkeit kommt man überhaupt weiter. Deswegen bin ich ja auch mittlerweile bekannt wie ein bunter Hund. :-)
Ehrlichkeit ist in unserer Szene sicherlich ein Faustpfand, ich denke, das merkst du auch daran, dass du oft weiter empfohlen wirst. Was wären denn deine besten Tipps für jemanden, der seine ersten Schritte im Internet machen möchte? Worauf sollte man achten, und was sind die größten Stolperfallen?
Unternehmen, die die ersten zaghaften Schritte im Social Web wagen, sollten sich von der Wunschvorstellung verabschieden, dass man sofort spürbare Erfolge verzeichnen kann.
Einen großen Abstand sollte man zu vielen dubiosen Gruppen halten! Es werden viele Versprechungen gemacht, wie man beispielsweise ganz schnell ganz viele Fans für die Fanseite bekommt oder wie man innerhalb von einem recht kurzen Zeitraum ganz viel Geld oder sehr viele Kunden gewinnt.
Die oberste Regel: NICHTS geht ganz schnell! Alles braucht seine Zeit und oftmals kann es auch Jahre dauern, bis man endlich angekommen ist.
Diese “Durststrecke” musste jeder von uns überwinden. Lieber anfangs nur 50 Fans, die auch aktiv kommentieren und sich wirklich für die Produkte oder Dienstleistungen interessieren, als 1000 Fans, die nur da sind, weil sie dafür bezahlt worden sind, Fan zu werden.
Natürlich klingen viele Angebote wahnsinnig verlockend und in manchen Webinaren wird das Blaue vom Himmel versprochen. Da fällt es schwer, heraus zu kristallisieren, was ein wirklich ernstzunehmendes Angebot ist und was nicht.
Mein Tipp an dieser Stelle wäre, dass gerade Neuankömmlinge im Social Web die ersten Schritte nicht alleine gehen sollten. Wer krampfhaft versucht, mit aller Gewalt irgendwie etwas aufzubauen, könnte recht schnell wieder enttäuscht sein und den sozialen Netzwerken den Rücken zuwenden.
Es gibt viele empfehlenswerte Bücher zu den jeweiligen Themen. Hier kann und sollte man sich ein gewisses Grundwissen aneignen!
Zeitgleich hilft ein Berater oder eine Agentur dabei, die ersten zaghaften Schritte zu gehen. In Einzelstunden vermittelt man dem Kunden per Learning by Doing, wo die einzelnen Stellschrauben sind, an denen man drehen muss.
Fatal wäre es, wenn man die “unangenehme Arbeit” einfach abgeben möchte. Social Media ist eine sehr persönliche Sache und das kann man nicht so einfach auslagern.
Wie ist denn dein Vorgehen, wenn jemand auf dich zukommt, der oder die ganz unrealistische Vorstellungen hat? Wie schaffst du es, solche Leute von einer langsamen und organischen Entwicklung zu überzeugen? Und wie schaffst du es, sie zu überzeugen, dass Social Media von ihnen kommen muss?
Unrealistische oder utopische Vorstellungen haben viele. Manchmal kommt es aber auf den Geldbeutel des jeweiligen Unternehmens an. Inwieweit ist man bereit, ein entsprechendes Budget zur Verfügung zu stellen, damit man diese Vorstellungen auch umsetzen kann? Meist liegen die Vorstellungen bei einer rasant wachsenden Fanzahl oder enorm brutalen Reichweiten der Postings, obwohl innerhalb des Unternehmens kaum oder nur sehr wenige Möglichkeiten zur Verfügung stehen.
Manchmal denken sich Unternehmen sogar atemberaubende und spektakuläre Ideen aus, die mitunter komplett gefährlich sind. Ein Autohändler aus meiner Gegend wollte sogar mal mit seinen Mitarbeitern den Jean Claude van Damme Stunt nachmachen, wo dieser einen Spagat mit zwei fahrenden LKW machte. Dieses Schauspiel wollten sie mit zwei Hummern nachmachen.
Tatsache war, dass von den Mitarbeitern niemand sportlich veranlagt geschweige denn auch nur annähernd fit genug für so einen Stunt gewesen wäre. Weder kam ein Stuntman dafür in Frage, noch war ein anderer Ort als der eigene Parkplatz eine Option. Da muss man wirklich Überzeugungsarbeit leisten und klar machen, das es definitiv besser ist, nicht das Leben und die Gesundheit seiner eigenen Mitarbeiter auf´s Spiel zu setzen. Das geht auch anders! Nicht auszudenken, wenn dabei etwas passieren würde. Ich glaube kaum, dass dies dann ein ganz normaler Arbeitsunfall wäre, für den eine Versicherung einspringen würde ;-)
Was würde als nächstes kommen ? Ein Sprung mit einem Audi durch ein Hochhaus zum gegenüberliegenden Hochhaus? Solche Aktionen sind gern gesehene Actionfilme zum Feierabend vor dem Fernseher oder für einen Kinobesuch, gehören für ein Unternehmen definitiv nicht zum normalen Alltag!
Auch wenn man denkt, dass der eigene Alltag gar nicht so spannend ist, es gibt immer wieder etwas zu berichten. Man muss nur auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Fans und Kunden möchten erleben, wie das Unternehmen ist, hinter die Kulissen blicken und es muss sich intern auch umsetzen lassen. Lieber kleinere Schritte gehen, als mit Sieben-Meilen-Stiefeln die Welt erobern zu wollen. Immerhin ist Rom auch nicht an einem Tag gebaut worden.
Wer allerdings nicht wirklich davon überzeugt ist, die sozialen Netzwerke als zusätzlichen Pfeiler für sein Unternehmen zu nutzen, den überrede ich auch nicht. Entweder man fühlt sich mit dem Gedanken wohl und kann dies auch umsetzen, oder man lässt es von vornherein bleiben.
Es ist wie mit einer Schwangerschaft zu vergleichen. Entweder die Frau ist schwanger oder sie ist es nicht. Das “vielleicht schwanger zu sein” wird mit einem Besuch beim Arzt abgeklärt, aber dann weiß man auch, woran man ist und kann sich dann für oder gegen die Schwangerschaft entscheiden. Aber nur ein bisschen schwanger zu sein gibt es nicht.
Welcher Social Media Kanal ist dir denn am liebsten und welcher gefällt dir gar nicht? Für Kunden kommt das ja meist auf die Zielguppe an, aber was macht dir persönlich am meisten und am wenigsten Spaß - und warum?
Twitter ist eindeutig mein Lieblingskanal! Man kann mit nur 140 Zeichen so viel sagen und ich genieße es, auch einfach mal nur meinem Stream anzusehen. Über Twitter habe ich auch die meisten Interaktionen, wenn ich Beiträge teile. Dabei ist es vollkommen unabhängig, ob es meine eigenen Beiträge sind oder ob ich Beiträge von anderen teile.
Die SmallTalks und der Austausch mit den anderen Twitteranern ist mir wichtig und darauf möchte ich einfach nicht mehr verzichten. Twitter ist deshalb mein Lieblingsnetzwerk, weil hier nicht alle Nase lang eine Veränderung ins Haus steht. Man weiß woran man ist und das ist gut so!
Facebook bespiele ich auch, aber die Sichtbarkeit geht immer mehr zurück und ich sehe nicht ein, Geld auszugeben, wenn ich beispielsweise auch von meinen Kontakten die Beiträge teile. Zumal ich neben der Arbeit als Online Marketing Beraterin hauptsächlich ein Mensch bin.
Was ich damit sagen möchte? Ganz einfach. Viele meiner Kontakte sehen, denken, fühlen, reden, leben, essen, trinken und träumen scheinbar nur noch von ihrem Job.
Ich würde mich ja massiv freuen wenn mal CatContent käme, aber es bleibt oft nur bei dem beruflichen Aspekt.
Man sollte fast meinen, das Leben besteht nur noch aus Social Media, verkaufen und vermitteln, da ist bald nichts (mehr), was erkennen lässt, einen echten Menschen vor sich zu haben.
Die Live-Videos langweilen mich zunehmend, weil es wieder nur um das Berufliche geht.
An manchen Tagen ist mir das einfach zuviel und dann bin ich nach wenigen Minuten komplett satt. Dann mache ich mich einfach wieder vom Acker.
Geh doch mal vor die Haustüre, atme die Luft und sieht dir die Menschen an, die dir in diesem Moment begegnen. Vor der Haustüre, selbst wenn du spazieren gehst, da ist nix mehr von Social Media, Blog, PR, SEO und Co. zu spüren. DAS ist das wahre Leben!
Google + war Anfangs ganz klasse, es war neu, es war interessant! Auch hier hat sich viel verändert. Für meine Begriffe zuviel, denn man kann Dinge auch einfach kaputt optimieren.
Wie gesagt, ich mag Veränderungen nicht, ich will immer wissen, woran ich bin.
Wenn man Snapchat als Social Media Kanal zählt, dann gehört Snapchat zu den Dingen, die ich in meinem täglichen Umfeld garantiert nicht auch noch brauche.
Am meisten Spaß macht es mir, wenn ich mich in meinem eigenen Zuhause (Blog) austoben kann. Hier will ich aber nicht wieder das schreiben, was schon zig andere abgeschrieben und und als Eigenkreation veröffentlicht haben.
Zur Zeit bastel ich an einem privaten Blog, wie weit dieser aber privat bleiben wird, steht noch in den Sternen.
Twitter also :) Was wäre denn dein bester Tipp für Firmen, die auf Twitter unterwegs sind? Vielleicht eine tolle Taktik oder ein absolutes No Go?
Eine Strategie braucht man immer, von einem NoGo rate ich aber eher ab. Es gibt genug Fälle, wo unbedachtes Zwitschern einen Stein ins Rollen gebracht hat und sich nicht mehr aufhalten lies.
NoGos sind NoGos und werden auch immer NoGos bleiben - man hat schnell eine aufgebrachte Horde am Allerwertesten kleben und wird sie nicht mehr los! Es sei denn man hat ein Krisenmanagement im Rücken, das Falle eines Shitstorms reagieren kann. Man kann vorab nie einschätzen, wie die User ein NoGo aufnehmen und so kann dieser Schuss fies nach hinten losgehen.
Wer lieber auf “normalen Wege” sein Twitter Marketing planen möchte und noch nicht so recht weiß, wie, nachfolgend drei Link Empfehlungen: :-)
Von nichts kommt nichts: Wie Unternehmen richtig nutzen
20 Tipps für das Twitter Marketing (Vorsicht - der Beitrag ist sehr lang geworden - geschätzte Lesezeit über 9 Minuten ;-) )
Auch Winlocal hat dazu einen empfehlenswerten Beitrag verfasst: Neukunden über Twitter gewinnen- wie geht das?
Na das ist ja erst einmal einiges an Lesestoff. Konzentrierst du dich eigentlich ausschließlich auf Social Media? Oder gibt es noch weitere Dinge, die du für Synergieeffekte gerne dazu nimmst (entweder, indem du es auch selbst kannst, oder indem du mit anderen Dienstleistern zusammenarbeitest)?
Hauptsächlich sind die Themen Online Marketing und Social Media mit allen Facetten meine Steckenpferde, die mich beruflich wie privat sehr interessieren und begeistern. Da ich nur als Ein-Mann-Unternehmen - pardon, Ein-Frau-Unternehmen - arbeite, kann ich nicht alles aus einer Hand anbieten! Es kommt oft vor, dass ich Aufträge an meine Mitbewerber weitergebe und hier arbeiten wir dann sehr eng zusammen.
Ich finde es immens wichtig ist, mit mehreren Dienstleistern zusammen zu arbeiten. Denn viele Arbeiten können nur Profis übernehmen, wenn man beispielsweise an Logos, Texte, die Erstellung einer Website und SEO denkt.
Auch wenn Anfragen über Facebook Werbeanzeigen und / oder Google AdWords Kampagnen reinkommen, gebe ich dies kurzerhand an meine Mitbewerber ab. So bleibt mir genügend Spielraum, um mich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Die Beratung und Betreuung meiner Kunden.
Besonders viel Spaß macht mir die Zusammenarbeit mit dem gesamten Team vom Online-Magazin Zielbar und Adi Bartenheier von Handwerkernet.
Ich liebe das regelmäßige Brainstorming und den kollegialen Austausch auf Augenhöhe sowie die Vielfalt an Themen, bei denen ich ständig was dazu lerne.
Jeder von uns ist in einem anderem Berufszweig unterwegs und doch klappt die Zusammenarbeit wie am Schnürchen. Das ist für mich etwas ganz Besonderes. Darauf möchte ich definitiv nicht mehr verzichten, auch wenn es manchmal anstrengend ist. Vor allem dann, wenn es um Themen geht, mit denen ich mich noch nicht intensiv genug auseinander gesetzt habe und in dieser Richtung nicht mitreden kann. Man lernt eben nie aus!
Da ich aus meinem beruflichen Werdegang auch noch Erfahrungen im Kurierdienst sowie in der Gastronomie vorweisen kann (immerhin gab es ja auch mal ein Leben vor Social Media ;-) ), weiß ich genau, wo in dieser Richtung der Hase läuft. Demnach kann ich prima koordinieren und vor eigenständigem Arbeiten habe ich auch keine Angst! Viele Lebenserfahrungen kann ich bedenkenlos an meine Kunden und Kontakte weitergeben.
Mehr über mich hier: http://www.socialmedia-betreuung.de/ueber-mich/
Vielen lieben Dank für das Gespräch, Tina!
Kategorie(n): Personen aus der Szene
Datum: 2. August 2016