1. Grundlagen: Was ist Faceted Navigation?
Bei der Faceted Navigation handelt es sich um eine Form der Klassennavigation, mit deren Hilfe bestimmte Begriffe über Meta Daten klassifiziert und dadurch effizient gefunden werden können. Im Prinzip handelt es sich um die Einrichtung eines Filtersystems, durch dessen Anwendung die gewünschten Treffer aus der Menge aller Begriffe ausgewählt werden. Im Bereich E-Commerce ist eine Faceted Navigation von Vorteil, wenn sich Produkte nicht in einer vordefinierten Hierarchiestruktur einordnen lassen. Herkömmliche Filter und eine fortschrittliche Klassennavigation funktionieren technisch sehr ähnlich. Grundlegender Gedanke ist die Auszeichnung einer Entität mit verschiedenen Attributen, die sie möglichst genau und in der gewünschten Granularität beschreiben. Die Attribute können dabei jede Ausprägung annehmen, nach der bei Anwendung des Systems gefiltert werden kann.1.1. Herkömmliche Filtersuche
Die herkömmliche Suche filtert die Menge aller Entitäten nach den gewünschten Attributen aus. So wird beispielsweise bei der Suchanfrage„Rote Schuhe 42“
die Menge aller Schuhe gefiltert und eine Liste ausgegeben. Dabei erhält der User eine Liste aller Schuhe, die rot sind und die Größe 42 haben (außen vorgelassen werden hier Schuhe, deren Namen eine 42 enthalten würden). [caption id="attachment_11923" align="aligncenter" width="1035"] Abbildung 1: Suchanfrage nach "schuhe rot 42"[/caption] Diese Liste entspricht genau den Vorgaben, ist aber eventuell für den User nicht sinnvoll, da alle beliebigen Schuhe mit den gewählten Attributen ausgegeben werden: Männerschuhe, Frauenschuhe, Sportschuhe, uvm. Der zusätzliche Aufwand, der von dem Anwender betrieben werden muss um seine gewünschten Modelle zu finden, ist sehr hoch.1.2. Faceted Navigation
Bei der Anwendung der Faceted Navigation werden alle Attribute weiterhin aufgeschlüsselt für den User dargestellt und er kann multivariat nach gewünschten Eigenschaften filtern. Wendet der User hier die identische Suchanfrage nach den roten Schuhen in Größe 42 an, erhält er zwar die identische Gesamtmenge aller Produkte, jedoch mit der Möglichkeit nach allen verfügbaren Kategorien, sprich Attributen, weiter zu selektieren, um so seine gewünschte Auswahl näher spezifizieren zu können. Angezeigt werden alle Kategorien, in denen die ausgezeichneten Produkte enthalten sind. Eine sinnvolle Standardsortierung erscheint absteigend nach der Anzahl der verbundenen Produkte. So kann der User an dieser Stelle entscheiden, ob er, analog zur einfachen Filtersuche, alle Produkte manuell durchsuchen oder aber ob er seine Auswahl verfeinern möchte und im gewählten Beispiel lediglich Sportschuhe angezeigt werden sollen. [caption id="attachment_11924" align="aligncenter" width="1046"] Abbildung 2: Auswahl von weiteren Filtern[/caption] Weitere Selektionen auf eine spezifischere Auswahl erfolgen analog immer auf Basis der aktiven Kategorie. Im gewählten Beispiel befindet sich der User in der Kategorie Sportschuhe und bekommt alle Artikel mit den Ausprägungen rote Farbe und Größe 42 angezeigt. Weitere Selektionsmöglichkeiten sind für ihn beispielsweise das Attribut „Geschlecht“ mit den Ausprägungen „Damenschuhe, Herrenschuhe“ oder die Attribute „Marke, Material, Sportart, …“ mit den entsprechenden Ausprägungen. [caption id="attachment_11925" align="aligncenter" width="1003"] Abbildung 3: Weitere Verschlagwortung der vorhandenen Selektion[/caption] Alle Filtermöglichkeiten, in deren Selektion ein Produkt vorhanden ist, werden angezeigt. Theoretisch könnte er bei einer optimal ausgezeichneten Navigation immer bis auf ein einzelnes Produkt filtern. In der Praxis ist diese Granularität bei der Vielzahl der Produkte wohl nur selten umsetzbar und auch nicht notwendig, da der User in einer Übersicht mit einer geringen Anzahl an Ergebnissen bereits gut und schnell seine gewünschten Produkte finden kann.2. Vorteile im Bereich E-Commerce
Der Einsatz einer Faceted Navigation eignet sich im E-Commerce vor allem für Shops mit einer hohen Anzahl an Produkten oder der Notwendigkeit einer effektiven Skalierbarkeit. Die Anzahl der benötigten zusätzlichen Klassen erhöht sich stark unterproportional im Verhältnis zur Anzahl der neuen Produkte. Bei einer geringen Anzahl an Produkten ist es in der Regel überflüssig, die weit aufwändigere Methode der Facettenklassifikation zu verwenden. Grundlegend sollte jeder Shop, dessen Produktkategorien sich in einer Dimension an Hauptkategorien abbilden lassen, auf eine strikt hierarchische Navigation verlassen. Der Zugriffspfad ist bei diesen Systemen immer vorgegeben. Befindet sich der User in Kategorie, werden ihm ausschließlich Produkte mit eindeutiger Zuordnung zu dieser Kategorie angezeigt. Produkte einer anderen Kategorie sind nicht vorhanden.2.1. Einsatzmöglichkeiten
Sobald Strukturen mit zwei oder mehr Ebenen notwendig werden, um alle Produkte sinnvoll in eindeutige Kategorien einzuordnen, sind Kategoriebäume erforderlich, die komplex verzweigt werden. Übersteigt die Komplexität eines Baumes ein übersichtliches Maß, scheint eine Navigation über einzelne Facetten zweckmäßig zu sein. Häufig eignet sich auch die Navigation über Facetten, sobald Produkte oder Kategorien nicht mehr ausschließlich über präkombinierte Navigationswege erreichbar gemacht werden sollen, sondern üblicherweise ein Navigationspfad über mehrere Wege führt. Die Auswahl des gewünschten Ziels ist so in der Regel über mehrere Attribute ausgezeichnet. [caption id="attachment_11926" align="aligncenter" width="1387"] Abbildung 4: Schematische Darstellung Faceted Navigation[/caption] In der Abbildung wird auf dem linken Bild deutlich, dass eine gewünschte Kategorie über einen einzigartigen Weg erreichbar ist. Bei der multidimensionalen Erreichbarkeit in der rechten Darstellung gibt es keinen eindeutigen Ausgangspunkt, von dem aus das Ziel erreicht werden kann. Die gewünschte Kategorie ist über verschiedene Begrifflichkeiten erreichbar.2.2. Voraussetzungen für eine erfolgreiche Navigation über Facetten
Maßgeblich für eine effektive Einordnung aller vorhandenen Produkte ist eine umfangreiche und intelligente Auszeichnung mit treffenden Attributen für jedes Produkt. Vergleichbar ist diese Auszeichnung mit Meta-Tags, die ein Produkt ganzheitlich beschreiben sollen. Je mehr Facetten ein Produkt beschreiben, desto präziser ist im Anwendungsfall die erstellte Auswahl der Kategorie. Die Auswahl der Facetten ist jedoch auch eine potentielle Schwachstelle des Systems. Je komplexer ein Produkt ist, desto variantenreicher und tiefgründiger ist eine holistische Auflistung aller möglichen Facetten. Um einen Artikel genau zu beschreiben ist ein fundiertes Wissen über seine Zusammensetzung, Leistung und Funktionen notwendig. Die Klassifizierung scheint bei Produkten wie Schuhen oder Kleidung relativ einfach, wird aber ungleich komplexer, betrachtet man beispielsweise in einem Elektronikshop die Kompatibilität von verschiedenen Bauteilen oder PC-Komponenten.2.3. Performance
Weitere Voraussetzung für die Navigation über eine Facettenklassifikation ist eine leistungsstarke Datenbank, welche die Daten in kürzester Zeit zur Verfügung stellen kann. Es ist notwendig, eine Liste mit Treffern entsprechend der ausgewählten Filter beinahe in Echtzeit bereitstellen zu können. Die Zeit bis zur Darstellung hat wesentliche Auswirkungen auf die Akzeptanz des Shops durch die User. Ergebnisse sollten spätestens nach einer Sekunde geladen werden. Für eine gefühlte Leistungssteigerung können hierbei die standardmäßigen Einblendungen von leeren Platzhalterrahmen führen, welche die identische Größe haben wie die final verwendeten Vorschaubilder der Produkte. [caption id="attachment_11927" align="aligncenter" width="1000"] Abbildung 5: Lazy Loading der Bilder[/caption]3. URL Aufbau
Durch die exponentiell wachsende Anzahl an möglichen Filterungen, Sortierungen und Auswahlmöglichkeiten ergibt sich in der Regel eine kongruent hohe Komplexität und Vielzahl an automatisch erstellten URLs. Sicherlich gibt es Möglichkeiten, um Seiteninhalte ohne Erzeugung einer neuen URL zu manipulieren, diese sind aber in Shops und den zugehörigen CMS nicht verbreitet und auch nicht ohne weiteres praktikabel.3.1. Manipulation der URLs
In der Regel ist in der URL jeder angewandte Filter ersichtlich. Durch die Mannigfaltigkeit der Filtermöglichkeiten kann beinahe eine unendliche Anzahl an unterschiedlichen URLs erzeugt werden, die alle von Suchmaschinen bewertet und indexiert werden. Dadurch besteht die Gefahr der Kannibalisierung verschiedener URLs mit identischen Inhalten. Die URL an sich wird durch ihre Komplexität für den üblichen Internetnutzer unübersichtlich und nicht durchschaubar. Zusätzlich können sich Fehler bei etwaigen Verlinkungen und einfache Copy & Paste Fehler einschleichen. Google selbst hat kein Problem mit der Interpretation von komplexen URLs und vielen Parametern und rät dazu, diese so zu belassen, jedoch dem Dogma „Keep URLs short“ zu folgen. [caption id="attachment_11928" align="aligncenter" width="1196"] Abbildung 6: Anzeige der eigenen Such-URLs[/caption] Das Ziel der Navigation über die Facetten ist, vor allem im E-Commerce-Bereich, neben der effektiveren Produktsuche und deren Klassifizierung die bessere Suchmaschinenoptimierung für organische Keywords und eine sehr effektive Long-Tail-Optimierung. Dazu können, ohne den Überblick zu verlieren, weit mehr Landingpages angelegt werden, als es bei hierarchischen Systemen möglich ist. Die URLs der Landingpages können im Rahmen der Suchmaschinenoptimierung aus dem Parameter-Design ausbrechen, um eine bessere Lesbarkeit für User zu ermöglichen und auch eine erhöhte Relevanz innerhalb der Suchergebnisse zu suggerieren. Dadurch wird eine funktionierende und genaue Indexierungssteuerung notwendig (siehe Crawlersteuerung).3.2. Redundante URLs
Durch Permutationen der ausgewählten Filter ist es möglich, dass redundante Kategorieseiten erzeugt werden. Abhängig von der Auswahlreihenfolge von beispielsweise Geschlecht und dem gewünschten Einsatzgebiet, können die URLs https://www.beispielshop.de/herrenschuhe/sportschuhe/ & https://www.beispielshop.de/sportschuhe/herrenschuhe/ respektive jede Darstellung der URLs durch Parameter entstehen. Um die potenzielle Duplicate Content Problematik zu vermeiden, ist eine standardisierte Reihenfolge an Parametern festzulegen und entsprechend der URL-Aufbau gegebenenfalls umzuschreiben. Die im folgenden Kapitel beschriebene Projektierung von Landingpages ist ebenfalls ein geeignetes Mittel, um der Indizierung von redundanten Inhalten entgegenzuwirken. [caption id="attachment_11929" align="aligncenter" width="1204"] Abbildung 7: Systematischer URL Aufbau[/caption]4. Projektierung von Landingpages
Projektierte Landingpages sind im Rahmen der Faceted Navigation unabhängig von der Umschreibung der URLs. Wichtig ist eine eindeutige Keywordausrichtung, die sich signifikant von anderen Themen auf der Webseite abgrenzt. Ziel in unserem gewählten Beispiel wäre es, eine Landingpage für
„Rote Schuhe 42“
zu erstellen.
Hierfür wäre eine URL: https://www.beispielshop.de/rote-schuhe-42/ optimal. Auch denkbar wäre bei der Benutzung von Parametern https://www.beispielshop.de/schuhe?farbe=rot&groesse=42 Auf dieser Seite müsste versucht werden, alle Informationen abzudecken, die User interessieren können, die sich für rote Schuhe der Größe 42 interessieren. [caption id="attachment_11930" align="aligncenter" width="1203"] Abbildung 8: URL Aufbau[/caption] Nun scheint es schwierig, Inhalte zu erstellen, welche die verschiedenen Schuhgrößen voneinander abgrenzen. Es müssten entsprechend auch Landingpages mit Größe 36, 37,…, 50 erstellt werden. Hier signifikante inhaltliche Abgrenzungen zu finden erscheint nicht sinnvoll und ist wohl nur in außergewöhnlichen Fällen praktikabel. Die verschiedenen Größen-Seiten würden sich gegenseitig kannibalisieren und im Resultat zu schlechteren Ergebnissen in den SERPs führen. Um für Suchmaschinen relevante Ergebnisse zu erzeugen, ist eine optimierte Kategorieseite zu dem Thema „Rote Schuhe“ von Vorteil. (Mögliche Beispiels-URLs: https://www.beispielshop.de/rote-schuhe/ ,https://www.beispielshop.de/schuhe?farbe=rot ) Von dieser aus soll der User über die oben genannten relevanten Facetten (Männerschuhe, Frauenschuhe, Sportschuhe….) instruiert werden. Ihm soll die Möglichkeit geboten werden, sich auf der Seite über alle relevanten Attribute oder u.U. auch Ausprägungen zu informieren. Eine Übersicht über die Gesamtheit aller ausgewählten Produkte ist ebenfalls sinnvoll. Analog zu der Darstellung verhält es sich bei der Anwendung eines zusätzlichen Filters, beispielsweise dem Geschlecht = Herren. Beispielhafte Anpassungen der URL sind in diesem Fall: https://www.beispielshop.de/herrenschuhe-rot/ https://www.beispielshop.de/schuhe?farbe=rot&geschlecht=herren Der Vorgang lässt sich für alle Facetten wiederholen. Ob eine explizite Projektierung einer Facettenkombination ökonomisch Sinn macht, ist dezidiert für jede Keyword-Kombination zu entscheiden. Jede nicht-projektierte Seite wird in der Regel ausschließlich über zusätzliche Parameter gebildet. Die daraus entstehende URL ist üblicherweise über die Crawlersteuerung von der Indexierung auszuschließen. Tipp: In einer perfekten Facettenklassifikation erhält man über eine Besucherstromanalyse einen guten Redaktionsplan, welche Seiten die höchste Relevanz für die kommende Projektierung erhalten sollten.