Visibility – Warum die Sichtbarkeit keine Zielgröße ist

von Andrea Claudia Delp

Kategorie(n): Ratgeber Datum: 23. Mai 2016
Zahlreiche Tools wie Sistrix oder Searchmetrics bieten für die Suchmaschinenoptimierung (SEO) die Kennzahl “Sichtbarkeit”, in allgemeiner Form oder entlang von festgelegten Keyword-Sets. Andere Tools wie etwa Onpage.org verzichten auf die allgemeine Sichtbarkeit und bieten nur Daten über vorher definierte Keywords. Eine Kombination aus Zahl der Rankings, Platzierung in den Ergebnislisten bei Google und anderen Kriterien geben auf diese Weise Auskunft über den SEO-Erfolg. Häufig werden die Werte auch innerhalb des Unternehmens ins Management-Reporting aufgenommen. Allerdings gehören sie dort in den allerseltensten Fällen hin. Dafür gibt es gute Gründe.

Sichtbarkeit oder Visibility wird vom Management nicht verstanden

In größeren Unternehmen beschäftigt sich das Management – also die Bereichsleitung und darüber - in der Regel mit anderen Dingen. Tiefere SEO-Kenntnisse sind eher selten. Die Sichtbarkeit als Kennzahl ist insofern schwierig, als dass sie sich in der Regel nicht 100%ig erklären lässt und schnell falsch verstanden wird. Das mögen Manager in der Regel nicht, denn Undurchsichtigkeit bringt Unsicherheit und Zweifel an der Sache mit sich. Und diese Zweifel sind letztlich sogar berechtigt.

Zielsysteme in Unternehmen bestehen aus anderen Zahlen

Ein Zielsystem in einem Unternehmen besteht aus wirtschaftlichen Zielen. Die allgemeinen oder übergeordneten Ziele eines Unternehmens lauten etwa “X % mehr Gewinn im Vergleich zum Vorjahr” oder ähnlich. Ein solches übergeordnetes Ziel wird dann auf die einzelnen Bereiche oder Abteilungen herunter gebrochen, bis hin zu konkreten Maßnahmenkatalogen. Die Sichtbarkeit macht unterdessen meist keine Aussage darüber, inwieweit eine Steigerung auch tatsächlich zur Steigerung der Zielgröße beiträgt. Ein Beispiel zeigt, wie sehr die Sichtbarkeit im Reporting nach Hinten los gehen kann.

Die Sichtbarkeit führt unter Umständen in die Irre

Wenn wir in einem Shop einige Produktkategorien haben, die nur eine sehr geringe prozentuale und absolute Marge aufweisen, diese aber in den Rankings zulegen, steigt unsere Sichtbarkeit. Als SEO sind wir vielleicht auf den ersten Blick begeistert und reporten stolz den Aufwärtstrend. In unsere Rechnung können wir nun aber zu einer geringen Marge auch noch die Kosten für das Handling (Versand, Buchhaltung, etc.) und für zu erwartende Rücksendungen einbeziehen. Das Ergebnis für das Unternehmen: Während unsere Sichtbarkeit bei einer solchen Kategorie munter aufwärts zeigt, rollt der Wagen finanziell betrachtet rückwärts. Und zwar bergab. Ein weiterer Fall, in dem die Sichtbarkeit in die Irre führt, findet sich bei Projekten mit einem hohem Anteil an Keywords oder Keyword-Kombinationen im Longtail-Bereich. Hier wird meist mit Muster-Keyword-Sets gearbeitet, die nur einen kleinen Teil der gesamten Story erzählen können – der Rest geht im Reporting unter. Es kommt hinzu, dass in vielen Tools das Suchvolumen mit in die Berechnung der Sichtbarkeit einbezogen wird. Unter Umständen ist das Ergebnis dann, dass ein Keyword wie “Laptop” gegenüber der Kombination “Laptop kaufen” im Reporting verliert, obwohl ein Top-10-Ranking für die Keyword-Kombination zum Unternehmensziel sehr viel beitragen kann.

Was spricht dann eigentlich für die Sichtbarkeit?

Innerhalb des Bereiches SEO ist ein Blick auf die allgemeine Sichtbarkeit einer Seite durchaus sinnvoll. Insbesondere sollte die Sichtbarkeit entlang eines von Euch festgelegten Keyword-Sets gemessen werden. Nur im Ausnahmefall – bei Seiten mit ständig wechselnden und tagesaktuellen Inhalten – ist das schwer machbar. So können wir schnell überblicken, ob und wo sich Veränderungen ergeben haben. Für die Steuerung im Bereich SEO sind diese Daten unerlässlich – ein Blindflug ist schließlich keine Alternative. Wenn wir ein Geschäftsmodell mit Produkten haben, das ausschließlich gute Margen abwirft, ist die Sichtbarkeit unter bestimmten Voraussetzungen für das Reporting geeignet. Allerdings: Die Tatsache, dass die Zahl oft nicht verstanden wird und nicht in ein Unternehmenszielsystem passt, bleibt dennoch bestehen. Eine "Übersetzung", beispielsweise mit einem durchschnittlichen Customer Life Time Value (CLV), Deckungsbeitrag oder Umsatz ist dann dennoch sinnvoll. Ausschließlich dort, wo im Rahmen bestimmter Projekte andere Daten bekannt sind und die Entwicklung der Sichtbarkeit sofort in finanzielle oder andere Zielwerte übertragen werden kann, ist die Sichtbarkeit für das Reporting oder die Einschätzung der Erfolgsentwicklung geeignet. Gut gruppierte Keyword-Sets lassen außerdem einen sehr schnellen Blick darauf zu, wo sich eventuelle Änderungen ergeben haben. So können wir etwa Keywordgruppen entlang unserer Produktkategorien gruppieren und innerhalb dieser Kategorien noch weitere Merkmale zuordnen. Auf diese Art und Weise lässt sich dann meist mit nur sehr wenigen Klicks erkennen, welcher Bereich einer Seite beispielsweise im Zuge eines Google Updates oder im Rahmen eines Penalties betroffen ist.

Die Sichtbarkeit ist gut, aber eben nicht allumfassend

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Sichtbarkeit ist wichtig und wird gebraucht – aber meist nur innerhalb des Bereiches SEO. Überall anders hin sollten Werte kommuniziert werden, die im gesamten Unternehmen auf Managementebene verstanden werden, beispielsweise Visits, Bounce Rates, Conversions, Umsätze, Deckungsbeiträge, CLVs und andere Daten. Mit Hilfe dieser Zahlen lassen sich dann auch für SEO geeignete Ziele definieren und verfolgen.